WAZ-online 24.04.03

Witwe zeigt Ärztin an: Unterlassene Hilfe
 

Das St.-Josef-Hospital Horst hat Besuch vom Staatsanwalt bekommen: Weil eine Witwe Anzeige erstattete wegen unterlassener Hilfeleistung, wurden jetzt Unterlagen beschlagnahmt. Eine Ärztin hatte die Aufnahme eines Bueraners abgelehnt, drei Tage später war er tot.

Susanne Kleinjohann will Gerechtigkeit. Wenn die Arztin ihren Mann richtig behandelt hätte, so glaubt die Mutter von vier Kindern zwischen fünf bis 15 Jahren, würde ihr Mann Bernd vielleicht noch leben.

Am Sonntag, 30. März, habe er über Durchfall und Erbrechen geklagt, abends habe sie 40,4 Grad Fieber gemessen. Medikamente hätten nicht ge-holfen, so dass sie am Montag, 31. März, um einen Besuch des Hausarztes gebeten habe. Dessen Vertretung habe ihr noch in der Praxis eine Einweisung ins Krankenhaus gegeben, als sie die Symptome schilderte.

Eine Aufnahme soll die Assistenzärztin in der Medizinischen Zentrale des Horster Hospitals nach einer Untersuchung aber abgelehnt haben, obwohl Kleinjohann in einem "erbärmlichen Zustand" gewesen sei. "Ich habe ihr gesagt, dass im Kindergarten Scharlach und der Rota-Virus grassieren und sie angefleht, meinen Mann über Nacht dort zu behalten. Aber sie hat nur Fieber senkende Mittel empfohlen und erklärt: ,Er ist nicht so krank, ein Tag Fieber haut keinen Mann um´."

Der Zustand des 37-Jährigen habe sich trotz des Medikaments verschlechtert: Dienstag, 1. April, sei das Fieber auf 40,7 Grad geklettert; die herbeigerufene Vertretung ihres Hausarztes habe Kleinjohann sofort ins Krankenhaus eingewiesen.

"Im St.-Marien-Hospital Buer diagnostizierte man Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge, Scharlach, Nierenversagen und eine Blutvergiftung", erinnert sich die 36-Jährige. Am Mittwoch, 2. April, hätten alle Organe ihres Mannes versagt, am Donnerstagmorgen starb er.

Zu den Ereignissen wollte Josef Kramer, Geschäftsführer des St.-Josef-Hospitals, keine Stellung nehmen. "Es handelt sich um ein schwebendes Verfahren." Er bestätigte lediglich, dass der Mann ambulant behandelt wurde. Für eine Aufnahme habe es wohl keine medizinischen Gründe gegeben. In 14 Tagen, wenn die Ärztin aus dem Urlaub zurück sei, werde man mehr erfahren. cala

Buersche Zeitung online - 24. 04. 2003

"Bernd könnte noch leben"

Musste ihr 37-jähriger Ehemann tatsächlich so jung sterben? Bei Susanne Kleinjohann dreht sich seit Tagen und Wochen alles nur noch um diese eine Frage. Die Mutter von vier Kindern glaubt, dass der Tod ihres Mannes vermeidbar gewesen wäre. Deshalb hat sie jetzt bei der Polizei Anzeige erstattet wegen unterlassener Hilfeleistung – und zwar gegen eine Ärztin (Name der Red. bekannt), die in der Medizinischen Zentrale des St.-Josef-Hospitals in Horst Dienst hatte.


Von Martin Theine

"Hätte diese Ärztin meinen Mann im Krankenhaus aufgenommen, würde er wahrscheinlich heute noch leben", erzählt Susanne Kleinjohann mit Tränen in den Augen. Was war geschehen? Begonnen habe alles mit hohem Fieber ihres Ehemannes Bernd, so die vierfache Mutter.

"Hausarzt schrieb eine Einweisung"

Auf Grund des Krankheitsbildes habe ihr Hausarzt beziehungsweise dessen Vertreter eine Einweisung in das Krankenhaus geschrieben. Noch am gleichen Abend sei sie daraufhin mit ihrem Ehemann zum St.-Josef-Hospital nach Horst gefahren. Dort habe sie zunächst die Einweisung abgegeben und sei dann in die Medizinische Zentrale geschickt worden. "Mein Mann hatte zu diesem Zeitpunkt über 40 Grad Fieber, starke Durchfallerscheinungen und Belag auf der Zunge", erinnert sich Susanne Kleinjohann. Die Ärztin habe ihren Mann kurz untersucht und anschließend zwei Schmerztabletten mit fiebersenkender Wirkung gegeben.

"Morgen geht es ihm blendend"

Susanne Kleinjohann: "Sie sagte, er solle die Tabletten nehmen, sich ins Bett legen und morgens gehe es im wieder blendend." Daraufhin habe sie die Ärztin "angefleht", sie solle ihren Mann wegen seines schlechten Zustandes doch zumindest für eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus lassen. Das habe die Ärztin abgelehnt. Auch den Hinweis, dass im Kindergarten eines ihrer vier Kinder Scharlach aufgetreten sei, und dass dies vielleicht der Grund für die Symptome ihres Mannes sein könne, habe die Ärztin ignoriert. Daraufhin sei sie mit ihrem Mann wieder nach Hause gefahren.

Einen Tag später sei dann das Fieber trotz der Tabletten auf 40,7 Grad gestiegen. "Ich habe dann unseren Hausarzt angerufen und ihm gesagt, dass wir im Krankenhaus abgewiesen wurden", so die 36-Jährige. Daraufhin sei der Arzt sofort zu ihrer Wohnung gekommen. Bei der Untersuchung habe der Arzt dann festgestellt, dass die Herzfrequenz ihres Mannes deutlich erhöht und deshalb ein EKG dringend erforderlich sei. "Wir sind dann zum Sankt-Marien-Hospital nach Buer gefahren, wo mein Mann auch sofort stationär aufgenommen wurde", schildert Susanne Kleinjohann den weiteren Verlauf. Dort sei die Diagnose "Scharlach" gestellt worden.

Inzwischen habe ihr Mann unter 40-prozentiger Austrockung gelitten, außerdem seien Ödeme in der Lunge und eine starke Bindehautentzündung sowie Nierenversagen festgestellt worden: Lebensgefahr und Intensivstation. Einen weiteren Tag später der Schock. Bernd Kleinjohann muss an die Dialyse angeschlossen werden und die Ärzte versetzen ihn in ein künstliches Koma. Ohne Erfolg: In den Morgenstunden des 3. April stirbt Susanne Kleinjohanns Ehepartner – ein Mann, der wie sie sagt, eigentlich "kerngesund" war.

Ermittlungen aufgenommen

Während Polizeisprecher Friedhelm Mruk auf Anfrage bestätigte, dass zurzeit auf Grund einer entsprechenden Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt wird, war die Staatsanwaltschaft bis Dienstag noch nicht mit dem Fall vertraut. Staatsanwalt Willi Kassenböhmer: "Die Sache ist bei uns noch nicht erfasst." Unabhängig von den Ermittlungsergebnissen wird sich auch die Ärztekammer mit dem Fall noch beschäftigen müssen, denn Susanne Kleinjohann hat die Kammer angeschrieben und zu einer Stellungnahme aufgefordert.

"Berufe mich auf Schweigepflicht"

Keine Aussagen zu dem Fall macht das Sankt-Marien-Hospital in Buer. "Auf Grund rechtlicher Vorschriften kann ich die Angaben von Frau Kleinjohann weder bestätigen noch dementieren", so Sprecher Uwe Becker. Die Ärztin des St.-Josef-Hospitals in Horst, gegen die sich die Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung richtet, sagte bereits am Dienstag vergangener Woche gegenüber der Buerschen Zeitung: "Ich werde mich auf Grund meiner Schweigepflicht nicht zu den Vorwürfen äußern."

Für Susanne Kleinjohann steht fest, dass ihr Ehemann wegen "ärztlichem Fehlverhalten" gestorben ist. Deshalb sei sie zur Polizei gegangen. Und entschlossen fügt sie hinzu: "Das bin ich meinem Mann und meinen Kindern schuldig."

 

Buersche Zeitung online - 23. 10. 2003

“Neue Untersuchung im Fall Kleinjohann”

 Während die Staatsanwaltschaft Essen weiterhin auf der Suche nach einem geeigneten Gutachter ist, der die Hintergründe des Todes von Bernd Kleinjohann untersucht (wir berichteten), hat die Behörde jetzt auch Ermittlungen gegen den Urlaubsvertreter des Hausarztes aufgenommen.

Der Arzt hatte eine Einweisung in das St.-Josef-Hospital ausgestellt, ohne den Patienten überhaupt untersucht zu haben. Bei seiner Ferndiagnose "schwere Darminfektion" hatte sich der Mediziner lediglich auf die Schilderung der Ehefrau gestützt, die ihm telefonisch über die Symptome wie hohes Fieber, Durchfall und Erbrechen berichtet hatte. Diese Diagnose hatte sich als falsch herausgestellt. Die Obduktion des mehrfachen Familienvaters ergab als Todesursache eine Blutvergiftung – ausgelöst durch eine kleine Wunde, die sich Kleinjohann bei einem leichten Unfall zugezogen hatte.

Bisher bezogen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nur auf eine Ärztin, die im St.-Josef-Hospital die stationäre Aufnahme von Bernd Kleinjohann verweigert hatte. Laut Ehefrau Susanne Kleinjohann hatte die Ärztin dem 37-Jährigen statt dessen fiebersenkende Tabletten verschrieben und ihn mit den Worten "Morgen geht's ihnen wieder besser" nach Hause geschickt. Die Ehefrau will gegen die Ärztin des St.-Josef-Hospitals und den Urlaubsvertreter zivilrechtlich vorgehen. Sie fordert 250 000 Euro Schmerzensgeld und 150 000 Euro Erwerbsausfallschaden. Ob auch die Staatsanwaltschaft Klage erhebt, soll nach dem Gutachten entschieden werden.

WAZ online - 11.04.2005

Horster Ärztin schwer belastet
 

Nach dem Tod eines Familienvaters mussten sich gestern Vertreter von St. Josef-Hospital und St. Marien-Hospital Buer auf der Anklagebank des Essener Landgerichts verantworten. Während ein Gutachten das MHB entlastete, könnten dessen Erkenntnisse das Horster Krankenhaus teuer zu stehen kommen.

Am 31. März 2003 war Bernhard Kleinjohann - WAZ berichtete - wegen Fieber, Durchfall und Erbrechen in der Notaufnahme des St. Josef-Hospitals gelandet. Die Ärztin schickte den 37-Jährigen trotz Einweisung mit zwei fiebersenkenden Tabletten nach Hause, wo sich sein Zustand verschlechterte. Am 1. April stieg das Fieber auf 40,7 Grad. Kleinjohann ging ins MHB, wo er stationär aufgenommen wurde und zwei Tage später verstarb. Die Witwe fordert von den Krankenhäusern nun Schmerzensgeld, Erstattung der Beerdigungskosten und Rente für die vier Kinder.

Als Ursache für die Blutvergiftung diagnostizierten die Mediziner im MHB eine entzündete Beinverletzung. "Die Wunde wurde im MHB standardgemäß behandelt. Dem Krankheitsbild der Blutvergiftung steht die Medizin noch immer hilflos gegenüber", urteilte ein unabhängiger Gutachter und entlastete die MHB-Ärzte im Zivilprozess.

Die Vorwürfe richteten sich so gegen die Ärztin am St. Josef-Hospital. Die Witwe warf ihr vor, dass sie sie aus dem Behandlungsraum geworfen habe und ihrem Mann höchstens fünf Minuten Zeit für eine Untersuchung gewidmet habe. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht sichtbar entzündete Wunde war der Ärztin aufgefallen; Verdacht hätte sie trotzdem nicht schöpfen müssen, wie der Gutachter befand.

Sein einziger wie gravierender Vorwurf: Die Ärztin hätte eine Blutprobe ihres Patienten im Labor anfertigen lassen müssen. "Das hätte absolut dem Standard entsprochen", so der Internist, Kardiologe und Intensivmediziner. Wäre dies geschehen, hätte sie "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" eine Vermehrung weißer Blutkörperchen und einen erhöhten CRP-Wert (der Entzündungen signalisiert) feststellen können, verdeutlichte der Professor.

Die Erstellung der Werte hätte 15 Minuten gekostet; bei optimaler Betreuung hätten die Mediziner einen Zeitvorsprung von rund zwölf Stunden gehabt, so der Gutachter. Ob dies zur Rettung von Bernhard Kleinjohann gereicht hätte, vermochte er nicht zu sagen.

Das letzte Wort sprach auch das Gericht nicht: Beide Parteien bekommen nun Gelegenheit, sich in den kommenden Wochen schriftlich zur gestrigen Verhandlung zu äußern.

Auf ein Wort: Unendlich

11.04.2005 Von Heiko Kruska

 

WAZ online - 02.06.2005

Landgericht weist Klage ab

 

Im Fall Kleinjohann hat die Zivilkammer des Landgerichts Essen die Klage vollständig abgewiesen. Die klagende Witwe und die vier Waisen erhalten weder Schmerzensgeld und Schadensersatz noch den beanspruchten Unterhalt.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Jochen Schröder schloss sich in dem Fall des verstorbenen Familienvaters Bernd Kleinjohann (WAZ berichtete) vollständig der Meinung des vom Gericht bestellten Sachverständigen, einem leitenden Mediziner der Uniklinik in Aachen, an. Die Witwe des 2003 an Blutvergiftung verstorbenen Beckhauseners, Susanne Kleinjohann, hatte gegen alle Ärzte, die zuletzt ihren erkrankten Mann behandelten, sowie die zwei beteiligten Krankenhäuser geklagt.

Nach dem Urteil des Essener Landgerichts sind die Vorwürfe gegen die Urlaubsvertretung des Hausarztes und den Hausarzt selbst sowie gegen das St.- Marien-Hospital Buer (MHB) und seine Mediziner nicht zu halten. Sie hätten keine Fehler im Umgang mit dem Patienten gemacht, so das Gericht. Im Fall der hauptbeschuldigten Ärztin im St.- Josef-Hospital und des Horster Krankenhauses selbst stellte das Gericht zwar eine fehlerhafte Behandlung des Verstorbenen fest. Aber: Der Fehler sei nicht "grob fahrlässig", was eine Entschädigung zur Folge gehabt hätte, sondern nur "normal fahrlässig" gewesen.

Der Fehler des Horster Krankenhauses und seiner Ärztin sei es gewesen, so der Gutachter, dass der Erkrankte nach Hause geschickt worden sei. Es hätten weitere "diagnostische Abklärungen" durchgeführt werden müssen. Jedoch sei es "rein spekulativ", ob durch ein früheres ärztliches Eingreifen der Tod des damals 37-Jährigen hätte verhindert werden können. Zumindest sei, so Richter Schröder, der Beweis nicht erbracht worden.

Witwe Susanne Kleinjohann zeigte sich enttäuscht. Ihr Anwalt, Dr. Burkhard Oexmann aus Hamm, nannte das Urteil "nicht nachvollziehbar". Beide kündigten an, Berufung beim Oberlandesgericht Hamm einzulegen.

 

02.06.2005

 

WAZ-online 11.07.2006

Teilerfolg beim Gericht in Hamm

Susanne Kleinjohann, die wegen des Todes ihres Mannes geklagt hatte (die WAZ berichtete), erzielte jetzt beim Oberlandesgericht in Hamm einen Teilerfolg. Nach Auskunft von Arnd Ziolka, Pressesprecher des Gerichtes, hätten sich "die Parteien geeinigt".

Vor Monatsfrist war aus dem Gericht ein Gütevorschlag gekommen. Dem habe laut Ziolka das St. Marien-Hospital zugestimmt, das ebenfalls beklagte St. Josef-Hospital aber nicht. Ziolka: "Das St. Josef-Hospital ist nicht Partner dieses Vergleichs und damit 'raus."

Auch Susanne Kleinjohann hatte bereits den Gütevorschlag bejaht. Jetzt muss, so Ziolka, das OLG Hamm noch einen "förmlichen Beschluss" fassen, damit die Entschädigung - eine fünfstellige Summe - fließen kann. Rentenansprüche, die sie für sich und ihre vier Kinder gestellt hätte, habe bereits die Berufsgenossenschaft ihres Mannes genehmigt, nachdem als Todesursache ihres Mannes ein "Unfall" festgestellt worden sei.

Gegenstand des Verfahrens vor mehreren Gerichten war die Behandlung einer Blutvergiftung, die sich Bernd Kleinjohann zugezogen hatte. Vor dem Essener Landgericht war die Beckhauserin mit ihren Schadensersatzansprüchen noch unterlegen gewesen. Dort hatte man dem St. Josef-Hospital zwar eine fehlerhafte Behandlung attestiert, diese aber als nicht grob fahrlässig einstuft. Die Blutvergiftung war als solche nicht erkannt worden. Bernd Kleinjohann wurde nach Hause geschickt. Als die Beschwerden schlimmer wurden, nahm ihn das St. Marien-Hospital auf, wo er zwei Tage später verstarb.

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